von 18.8. bis 31.10.2012 in Ediger-Eller (Landkarte):
Öffnungszeiten:
Mo - Di & Do - Sa: 9.30 - 12.00
Mo - Di & Do - Fr: 16.30 - 18.00
Mi + So geschlossen
Material und Erinnerung
Arbeiten mit Eisen und Garn
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Peter Ketturkat: Madonnen, Monstranzen und Dämonen (Foto: Karin Bayerle) |
Ausstellung und Installation
im Holle Häisje in Ediger-Eller
Von Peter Ketturkat und
Karin Bayerle
Der ländliche Raum in
Rheinland-Pfalz ist nicht gerade bekannt für innovative Kulturpolitik.
Man pflegt die Mundart im
Theater, zeigt Reben und Weinmotive in der Bildenden Kunst, Blechbläser
knattern in Zelten an den einschlägigen Weinfesten.
Und wenn dieses Konzept
hierzulande als Innovation verkauft wird, nennt man es: „Brass im Wingert“,
übersetzt soll das heißen:“ Blasmusik im Weingarten“, liebe Grüße aus Bayern.
Wer aber durch und hinter
diese Fassaden des Marketings schaut, der entdeckt im lokalen Globales.
Denn schon lange haben die
Jungen das enge Tal verlassen, haben überall in der Welt Anregungen gefunden,
sind wieder zurückgekommen - denn nirgendwo ist es schöner als hier - und
sprechen eine Sprache, die einlädt zur Kommunikation.
Zum Dialog mit der Welt.
Diese Welt ist nicht
national, sie ist bevölkert von Menschen mit offenen Sinnen, die schmecken,
schauen und hören können.
Ideologien stehen diesen
Erlebnissen nur im Wege.
Die Materialien der
Landschaft sind die Steine, die als Fels durch die Weingärten brechen, aus
denen die Häuser und Mauern gebaut sind.
Es sind auch die alten,
eichernen Türen, die Fachwerke mit ihren Ausschmückungen und Verzierungen, die
Ornamente und auch die christlichen, heidnischen und magischen Beschwörungen
die man da findet.
Und es sind die Lieder der
Chöre, mit ihren romantischen Sehnsüchten, und dem globalen Gospel, der
Verehrung der Schöpfung.
Die lokalen Blasorchester
spielen seit Jahrhunderten die alten Melodien, ergänzt von den Weisen der
Neuzeit. Schostakowitsch, Radetzky und Abba.
Was braucht man mehr um im
Leben zu sein?
Auch die Orgien in der
Karnevalszeit fassen Sprache, Bilder und Melodien zusammen, zu einem
Miteinander der Menschen.
Die Reben an den Hängen
wurden schon erwähnt. Die Grundlage allen Glücks.
Oft findet man, hier wie
anderswo, in den Vorgärten oder an Hauswänden, Gegenstände des alltäglichen
Gebrauchs, ausgestellt und gerettet aus dem Schlund des Monsters, das da
Recycling heißt.
Ein altes Wagenrad, ein
Pflug, ein geschmiedetes Werkzeug, ein Küchenherd.
Gerettet!
Aber schon wieder verdorben
mit Geranienbepflanzung und Rostschutzanstrich.
Wir haben Teile der
Originale gesammelt, haben sie
gestaltend weiterverarbeitet und ihnen einen würdigen Rahmen gegeben, wo sie
sein können was sie sind: Zeugen und Materialien der Erinnerung.
Dabei haben wir bei der
Darstellung die Qualitäten der Materialien, in unserem Falle der Metalle, bewußt angewandt.
Da ist zum einen die
Geschichte der Aneignung durch die Menschen.
Eine kurze Zeit, höchstens
8000 Jahre.
Die Venus von Willendorf,
eine der ersten Skulpturen von Menschen geschaffen, ist immerhin ca. 28 000 Jahre alt.
Da ist aber auch, bei den
Metallen, ihre Vorgeschichte, ist
die Zeit des Werdens, ihrer Reifung, ihrer Entstehung vor den Menschen, die
planetarische Phase, die Sonderung der Erzadern in dem Körper der Erde.
Milliarden von Jahren vergingen darüber.
Und da ist ihr Bezug zu
anderen Planeten, die kosmologische Phase, in der einmal alles Eins war.
Alte alchemistische
Weisheiten, die wir in unseren Arbeiten verwenden.
Ganz besonders in Metallen
wie Gold, Silber, Blei, Kupfer und Eisen.
Ihre Äquivalente sind die
Sonne, der Mond, der Saturn, die Venus und der Mars, dem man gerade von der
Erde aus zuleibe rückt.
So kann man hier von Göttern
sprechen, von Mars (Krieg), Venus (Liebe), Saturn (Melancholie), Mond
(Fruchtbarkeit) und Sonne (Erkenntnis), und nicht nur von Metallen, Planeten
und Emotionen.
Gegenüber Metallen kommen
Garne erst sehr spät in diese Welt.
Tiere wurden domestiziert,
Pflanzen bewußt angebaut.
Man hatte schon gelernt
Schafe zu scheren, Wolle zu spinnen, Flachs, Pflanzenfasern zu produzieren und
aus dem Faden, die Linie, Flächen (Teppiche) und Körper (Bekleidungen) zu
bilden.
Doch wen wundert's, wenn da
nicht schon Vorläufer waren.
Da war schon lange vorher
die Spinne.
Und da waren ihre Netze.
Woher nahm sie die Muster?
Woher die Erinnerung?
Spinnennetze sind lästig im
Haus.
Im sozialen Leben sind sie
ein Muß.
Man spricht von Networking.
Netze aufbauen. Karrieren
planen und sichern.
Was der reinliche Puritaner
im eigenen Haus verwirft, ist in seiner Lebensplanung essentiell.
Doch mancher verstrickt sich
in den eigenen Netzen und wird nie anderes fangen, noch nicht einmal sich
selbst, wird sein eigenes Opfer.
Willkommen zur Ausstellung.
Karin Bayerle und Peter
Ketturkat leben in Briedel an der Mosel und in Wien an der Donau.
Sie sind international vor
allem bekannt für Ihre Theaterarbeit.
Eigenproduktionen, Regien,
Ausstattungen, Materialdramaturgie, Lehraufträge, Sologastspiele und
spartenübergreifende Projekte bestimmen ihr Leben genauso wie der eigene
Garten, ihre Walnußbaumplantage, die Pilze im Soonwald, die regionalen Kräuter
und die Lieder der Welt, die sie, auch mit anderen - nicht nur - im Moseltal
singen.
(Text: Peter Ketturkat)
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Peter Ketturkat: Signaturen (Foto: Karin Bayerle) |
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Karin Bayerle: Netzwerk (Foto: Karin Bayerle)
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