Freitag, 10. August 2012

Ausstellung "Material und Erinnerung"


von 18.8. bis 31.10.2012 in Ediger-Eller (Landkarte):

Öffnungszeiten: 
Mo - Di & Do - Sa: 9.30 - 12.00
Mo - Di & Do - Fr: 16.30 - 18.00
Mi + So geschlossen


Material und Erinnerung
Arbeiten mit Eisen und Garn

Peter Ketturkat: Madonnen, Monstranzen und Dämonen (Foto: Karin Bayerle)

Ausstellung und Installation im Holle Häisje in Ediger-Eller
Von Peter Ketturkat und Karin Bayerle

Der ländliche Raum in Rheinland-Pfalz ist nicht gerade bekannt für innovative Kulturpolitik.
Man pflegt die Mundart im Theater, zeigt Reben und Weinmotive in der Bildenden Kunst, Blechbläser knattern in Zelten an den einschlägigen Weinfesten.
Und wenn dieses Konzept hierzulande als Innovation verkauft wird, nennt man es: „Brass im Wingert“, übersetzt soll das heißen:“ Blasmusik im Weingarten“, liebe Grüße aus Bayern.

Wer aber durch und hinter diese Fassaden des Marketings schaut, der entdeckt im lokalen Globales.
Denn schon lange haben die Jungen das enge Tal verlassen, haben überall in der Welt Anregungen gefunden, sind wieder zurückgekommen - denn nirgendwo ist es schöner als hier - und sprechen eine Sprache, die einlädt zur Kommunikation.
Zum Dialog mit der Welt.
Diese Welt ist nicht national, sie ist bevölkert von Menschen mit offenen Sinnen, die schmecken, schauen und hören können.
Ideologien stehen diesen Erlebnissen nur im Wege.

Die Materialien der Landschaft sind die Steine, die als Fels durch die Weingärten brechen, aus denen die Häuser und Mauern gebaut sind.
Es sind auch die alten, eichernen Türen, die Fachwerke mit ihren Ausschmückungen und Verzierungen, die Ornamente und auch die christlichen, heidnischen und magischen Beschwörungen die man da findet.
Und es sind die Lieder der Chöre, mit ihren romantischen Sehnsüchten, und dem globalen Gospel, der Verehrung der Schöpfung.
Die lokalen Blasorchester spielen seit Jahrhunderten die alten Melodien, ergänzt von den Weisen der Neuzeit. Schostakowitsch, Radetzky und Abba.
Was braucht man mehr um im Leben zu sein?
Auch die Orgien in der Karnevalszeit fassen Sprache, Bilder und Melodien zusammen, zu einem Miteinander der Menschen.
Die Reben an den Hängen wurden schon erwähnt. Die Grundlage allen Glücks.

Oft findet man, hier wie anderswo, in den Vorgärten oder an Hauswänden, Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs, ausgestellt und gerettet aus dem Schlund des Monsters, das da Recycling heißt.
Ein altes Wagenrad, ein Pflug, ein geschmiedetes Werkzeug, ein Küchenherd.
Gerettet!
Aber schon wieder verdorben mit Geranienbepflanzung und Rostschutzanstrich.

Wir haben Teile der Originale gesammelt,  haben sie gestaltend weiterverarbeitet und ihnen einen würdigen Rahmen gegeben, wo sie sein können was sie sind: Zeugen und Materialien der Erinnerung.
Dabei haben wir bei der Darstellung die Qualitäten der Materialien, in unserem Falle der Metalle,  bewußt angewandt.
Da ist zum einen die Geschichte der Aneignung durch die Menschen.
Eine kurze Zeit, höchstens 8000 Jahre.
Die Venus von Willendorf, eine der ersten Skulpturen von Menschen geschaffen,  ist immerhin ca. 28 000 Jahre alt.
Da ist aber auch, bei den Metallen, ihre Vorgeschichte,  ist die Zeit des Werdens, ihrer Reifung, ihrer Entstehung vor den Menschen, die planetarische Phase, die Sonderung der Erzadern in dem Körper der Erde. Milliarden von Jahren vergingen darüber.
Und da ist ihr Bezug zu anderen Planeten, die kosmologische Phase, in der einmal alles Eins war.
Alte alchemistische Weisheiten, die wir in unseren Arbeiten verwenden.
Ganz besonders in Metallen wie Gold, Silber, Blei, Kupfer und Eisen.
Ihre Äquivalente sind die Sonne, der Mond, der Saturn, die Venus und der Mars, dem man gerade von der Erde aus zuleibe rückt.
So kann man hier von Göttern sprechen, von Mars (Krieg), Venus (Liebe), Saturn (Melancholie), Mond (Fruchtbarkeit) und Sonne (Erkenntnis), und nicht nur von Metallen, Planeten und Emotionen.

Gegenüber Metallen kommen Garne erst sehr spät in diese Welt.
Tiere wurden domestiziert, Pflanzen bewußt angebaut.
Man hatte schon gelernt Schafe zu scheren, Wolle zu spinnen, Flachs, Pflanzenfasern zu produzieren und aus dem Faden, die Linie, Flächen (Teppiche) und Körper (Bekleidungen) zu bilden.

Doch wen wundert's, wenn da nicht schon Vorläufer waren.
Da war schon lange vorher die Spinne.
Und da waren ihre Netze.
Woher nahm sie die Muster?
Woher die Erinnerung?

Spinnennetze sind lästig im Haus.
Im sozialen Leben sind sie ein Muß.
Man spricht von Networking.
Netze aufbauen. Karrieren planen und sichern.
Was der reinliche Puritaner im eigenen Haus verwirft, ist in seiner Lebensplanung essentiell.
Doch mancher verstrickt sich in den eigenen Netzen und wird nie anderes fangen, noch nicht einmal sich selbst, wird sein eigenes Opfer.

Willkommen zur Ausstellung.

Karin Bayerle und Peter Ketturkat leben in Briedel an der Mosel und in Wien an der Donau.
Sie sind international vor allem bekannt für Ihre Theaterarbeit.

Eigenproduktionen, Regien, Ausstattungen, Materialdramaturgie, Lehraufträge, Sologastspiele und spartenübergreifende Projekte bestimmen ihr Leben genauso wie der eigene Garten, ihre Walnußbaumplantage, die Pilze im Soonwald, die regionalen Kräuter und die Lieder der Welt, die sie, auch mit anderen - nicht nur - im Moseltal singen.

(Text: Peter Ketturkat)

Peter Ketturkat: Signaturen                        (Foto: Karin Bayerle)



Karin Bayerle: Netzwerk               (Foto: Karin Bayerle)





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